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  • AutorenbildHopesister

Von einer steinigen Reise zu mir und Gott

von Anna Koppri



Als kleines Mädchen habe ich dafür gebetet, meine Puppe möge lebendig werden. Wenn mich später jemand gefragt hat, was ich noch erleben möchte bevor ich sterbe, war meine Antwort: „Mein eigenes Kind im Arm halten.“ Ich kann es nicht genau erklären, doch immer schon wollte ich Mama sein und kein anderes Lebensziel hatte diesen Stellenwert für mich.

Den Zauber einer Schwangerschaft und die Grenzerfahrung einer Geburt wollte ich am eigenen Leib erfahren und ein neues Leben von Anfang an begleiten. Ich wollte dabei sein, wenn ein kleiner Mensch seine ganz eigene Persönlichkeit entfaltet und ihm so viel Freiheit und Halt wie möglich geben.


Der Beginn einer Reise…

Mit 30 habe ich geheiratet. Ein Jahr später begannen wir unsere „Kinderwunschreise“ und ich habe vom ersten Zyklus an gelitten.

Im meinem Job als Sozialpädagogin war ich für wohnungslose Menschen da und fühlte mich ausgemergelt. Es fiel mir schwer, meine persönlichen Grenzen wahr- und ernst zu nehmen und das Leid anderer nicht ständig mit mir herumzuschleppen. Auch deshalb sehnte ich mich so sehr nach einer Zeit, in der ich mich nur um mich und meine eigene kleine Familie kümmern dürfte. Ein Kind erschien mir als willkommene Flucht aus einem Berufsleben, das eigentlich nicht zu mir passte.


Gott war für mich jemand, von dem die Geschichten in der Bibel erzählen. Ein Freund, der mich begleitet und der auch ein bisschen dafür zuständig ist, mir ein angenehmes Leben zu bereiten.

In den kommenden Monaten und Jahren musste ich schmerzlich feststellen, dass dieser Gott einfach nicht „funktionieren“ wollte, da mein sehnlichster Wunsch nach einem Kind, trotz zahlreicher „Gebetsstürme“ nicht in Erfüllung ging. Ich fand keine Antworten auf meine Fragen und konnte für das Handeln oder Nicht-Handeln dieses Gottes einfach keine Erklärungen mehr finden. Weshalb bekommen Menschen Kinder, die nicht in der Lage sind, sie ausreichend zu versorgen? Weshalb werden so viele Frauen schwanger, die das gar nicht wollen? Weshalb entsteht in mir Leben, das nicht lebensfähig ist? Und weshalb kann mein Körper Gottes Geheiß für die Menschheit: „Seid fruchtbar und mehret euch“ einfach nicht Folge leisten?

Ich war es leid, mir Ausreden für Gott zurechtzubasteln und so begann ich, mich von ihm zu entfernen. Ich habe mich von diesem Gott entfernt, bei dem Wunder nicht passieren, weil man nicht genug betet oder glaubt. Von dem Gott, bei dem nur die Menschen zu den Erlösten gehören, die bestimmte Glaubenssätze für sich annehmen. Von dem Gott, der von mir erwartet, ständig für andere da zu sein und ihnen den Weg zum „richtigen Glauben" zu weisen. Von dem Gott, für dessen Handeln es stets eine gute Erklärung gibt…


Vom Suchen und Gefundenwerden…

Fortan war ich eine Suchende: Auf der Suche nach mir selbst und nach einem Gott, an den ich glauben kann und möchte. Zwei Jahre nach Beginn meiner Kinderwunschreise und nach zwei frühen Fehlgeburten habe ich aufgehört, auf ein Kind zu warten, um aus meinem Job rauszukommen. Ich habe mir eine Arbeit gesucht, bei der ich überwiegend von gesunden Kindern umgeben war. Ein erster Schritt auf der Suche nach einer Tätigkeit, die zu mir passt.

Gott war nicht mehr der Kumpel an meiner Seite, sondern wurde immer mehr zu einem unbegreifliches Wesen ausserhalb meiner Vorstellungskraft. Während einer langwierigen Grippe fühlte ich mich schwach und nutzlos und hatte den Eindruck, dass ich aus mir heraus gar nichts mehr leisten konnte: für niemanden da sein, nicht arbeiten und schon gar kein Kind in mir heranwachsen lassen. In diese Situation kam Gott mit einer solchen Wucht, dass es mich umhaute. Ich fühlte mich geborgen und umfangen. Von jemandem, der einfach da ist, mich bedingungslos liebt und nichts von mir erwartet. Gar nichts. Die Tränen liefen und meine Seele ruhte in ihm und durfte einfach sein. Und dann, als sie sich so richtig ausgeruht hatte, fing sie an zu schweben. Nach ein paar Tagen stand ich aus dem Bett auf und hätte die ganze Welt umarmen und wirklich jedem sagen können, dass ich ihn liebe.

Ich habe begonnen, mich selbst besser kennenzulernen und zu lernen, dass meine Bedürfnisse und Grenzen genauso wichtig sind, wie die anderer – am Ende bin ich mit diesem Prozess noch lange nicht. Inzwischen erlebe ich es als große innere Freiheit, Menschen nicht mehr in Richtig- und Falschglaubende unterteilen zu müssen. In jedem Menschen sehe ich Gottes Ebenbild, sein Licht, seine Liebe und genauso menschliche Fehlbarkeit. Ich brauche niemandem mehr diesen Gott zu erklären, auch nicht mir selbst. Dass ich auf viele Fragen einfach keine Antworten finde, jedenfalls noch nicht, habe ich gelernt auszuhalten. Ich bin mit Gott verbunden und vertraue darauf, dass er mich sinnvoll durch dieses Leben leitet. Mal gelingt das besser, mal schlechter.


Unverdiente Gnade…

Mittlerweile darf ich Mama von zwei kleinen Jungs sein, worüber ich unendlich dankbar bin. Ich habe das nicht verdient, es ist pure Gnade und ich wüsste nicht, wo ich jetzt stehen würde, wenn ich noch immer ein Kind herbeisehnen würde. Mit den Kindern sind ganz neue Herausforderungen in mein Leben gekommen und ich bin im Nachhinein dankbar dafür, dass meine schmerzvolle Reise mich ganz neu zu Gott und ein Stückchen näher zu mir selbst geführt hat. Ich darf jetzt ein Leben führen, das mir immer mehr entspricht, in Verbindung mit einem Gott, auf den ich immer wieder neugierig bin.


Wenn ich meiner Leidenschaft – dem Schreiben – nachgehe, fühle ich mich lebendig. Über meinen Kinderwunschweg und den vieler anderer Paare, habe ich ein Buch geschrieben. Paare, die letztlich für sich einen Weg gefunden haben, ein erfülltes Leben zu führen. Nicht ohne Schmerz und Fragen, aber an der Seite eines liebevollen Gottes. Manche haben „Kinderwunder“ erlebt, andere sind ohne Kinder geblieben oder haben Pflegekinder aufgenommen.

Ich wünsche mir, dass dieses Buch zum Begleiter und Trostspender werden darf, zum Hoffnungsträger und Sprachrohr für alle, die ihren Schmerz und ihre Sehnsucht mit sich herumtragen. Für alle, die suchen und stolpern, genau wie ich, die die Kraft haben, jeden Morgen aufzustehen ohne zu wissen, was der Tag oder das neue Jahr bringen wird. Die ihre Hoffnung an einen Gott hängen, der Wut und Fragen aushält und sich niemals zurückzieht.


Das Buch von Anna Koppri ist bei Gerth Medien erschienen und ist überall im Buchhandel erhältlich.











Anna Koppri, Jahrgang 1982, ist Sozialpädagogin, systemische Familientherapeutin und freie Autorin. Sie hat selbst mehrere Jahre des unerfüllten Kinderwunsches erlebt und ist jetzt dankbare Mama von zwei kleinen Söhnen. Mit ihrer Familie genießt sie das bunte Leben in Berlin und engagiert sich für die Anti-Sklaverei-Bewegung „International Justice Mission“.

(c) Foto: Anna Koppri privat







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