Von Angela
Muttertag: Sie sind wieder da- die alljährlichen Werbeprospekte von Supermärkten, Blumenläden usw., die- natürlich aus reinem Eigennutz- dafür sorgen, dass bloß niemand vergisst, dass Muttertag ist.
Vor einigen Jahren ist meine Mutter einen Tag vor dem Muttertag plötzlich verstorben. Wir waren an diesem Wochenende zu Besuch bei meinen Eltern, ein Muttertagsgeschenk war im Gepäck. Im Jahr danach war der Muttertag zwar schlimm, aber mit einer gewissen Hoffnung erfüllt: dass dieser Tag wieder mit etwas Schönem verknüpft sein würde, wenn wir dann eigene Kinder hätten. Seitdem habe ich einige Muttertage durchweint, immer wieder mit der Hoffnung: Vielleicht bin ich ja im nächsten Jahr endlich Mutter.
Für mich ist es legitim, mich am Muttertag zurückzuziehen. Gottesdienstbesuch ist da für mich an diesem Sonntag ein No-Go. Ich merke, dass ich diesen Tag auch brauche, um meinem Schmerz Raum zu geben. Ich habe oft gedacht, dass ich meinen Schmerz gar nicht nach außen tragen darf. Ich hatte zu viel mit Menschen zu tun, die ihr Leid permanent vor sich hertragen und damit andere ständig überfordern, weil immer nur alles schlimm ist. Ich musste lernen, dass es schlimm sein darf, ohne immer schlimm sein zu müssen. Die Trauer um meine Mutter war konkreter, besser greifbar als die Trauer um die Kinderlosigkeit. Es gibt ein Grab, es gab eine Beerdigung, andere haben gemeinsam mit uns getrauert. Es gibt für solche Situationen eine Art Verhaltenskodex: Es gibt Sonderurlaub für die Beerdigung, andere sprechen einem ihr Beileid aus, man bekommt Karten und es wird einem – zumindest für eine Weile- zugestanden, in einem anderen Rhythmus zu laufen. Zum Mitteilen kann man eine Traueranzeige verschicken. Natürlich trauert jeder anders und doch haben die meisten Menschen Erfahrung mit der Trauer um einen verstorbenen Menschen.
Als wir die Diagnose bekamen, dass wir keine leiblichen Kinder bekommen können, waren wir alleine und haben uns auch erstmal viel zurückgezogen, bis wir den Schmerz dann anderen mitteilen konnten. Wir mussten aktiv werden, um andere an unserer Trauer teilhaben zu lassen. Es gab keine Rituale, keinen Verhaltenskodex für uns und andere. Es gab keine Erfahrungswerte- wie lange dauert es, bis wir wieder zum Babysitten fürs Patenkind angefragt werden dürfen? Sollen die Kinder von Freunden mal nicht beim Grillfest dabei sein? Soll die Schwangere, die zum Silvesterabend eingeladen war, wieder ausgeladen werden? Wir sind dankbar für unsere Freunde, die uns diese Fragen wirklich gestellt haben, die unsere Trauer anerkannt haben und nicht einfach zu „business as usual“ zurückgegangen sind.
In diesem Jahr gilt mein Gebet besonders den Müttern, die ihre Kinder nicht selbst aufziehen können oder wollen und die in dieser Situation auch oft alleine sind. Diese Mütter geben damit mir und meinen Sisters in den Hope-Groups Adoption und Pflege die Möglichkeit, Mütter zu werden. Auch ihr Schmerz hat eine Berechtigung, auch sie trauern um ein Leben, das sie sich anders vorgestellt hatten.
Das Muttertagsgeschenk, das ich damals meiner Mutter hatte geben wollen, hat dann meine Schwägerin bekommen, die für mich ein Riesen-Vorbild ist, was Mutter-sein angeht und die mich immer wieder unzensiert Anteil haben lässt an den Freuden und Schwierigkeiten des Familie-Lebens.
Deine Hopesister Angela
PS: Bis du derzeit im Adoptions- oder Pflegeprozess oder bist bereits auf diesem Weg Mama und suchst Austausch? Dann melde dich doch bei uns und schließ dich einer der Hope Groups an.
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