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  • AutorenbildMagali

HOPE - Wenn der Kinderwunsch ausbleibt!

Aktualisiert: 24. Nov. 2020




„Entspann dich. Stress dich nicht. Denk nicht mehr daran, dann klappt es“. Das sind Sätze, die du in der Kinderwunschzeit irgendwann nicht mehr hören kannst. Diese gut gemeinten Kommentare implizieren, dass ich Schuld an meiner Kinderlosigkeit bin und sie machen mich deshalb wütend. Unfruchtbarkeit ist leider kein Umstand, den ich durch einen Urlaub einfach ändern könnte. Als mein Arzt 2014 feststellte, dass ich sehr wahrscheinlich auf natürlichem Weg kein Kind bekommen kann, ist meine Welt zusammengebrochen. Ich wurde mit PCOS diagnostiziert – das PCO-Syndrom (polyzystisches Ovarialsyndrom) ist eine hormonelle Störung. Seltene und unregelmäßige Regelblutungen und eine einhergehende Unfruchtbarkeit sind nur zwei der dutzenden Symptome. Noch im Schockzustand drückte er mir eine Broschüre in die Hand und winkte die nächste Patientin in seinen Behandlungsraum. Experten schätzen, dass etwa jedes siebte Paar ungewollt kinderlos ist. In Deutschland sind also über 1,4 Millionen Paare betroffen – leider mit steigender Tendenz. Mit der Diagnose PCOS hatte Kinderlosigkeit eine Ursache. Stressvermeidung ist zwar wichtig, aber leider nicht die Lösung meines Problems.

Als wir vor 4,5 Jahren blauäugig und voller Vorfreude beschlossen, ein Baby zu bekommen, hätte ich nie (rückblickend zum Glück) geahnt, welch eine traurige, schmerzvolle und anstrengende Reise vor uns liegt. Ich hatte damals keine Zweifel daran, dass wir sofort schwanger werden würden. So bestellte ich noch in derselben Woche einen Babybody für meinen Mann, mit der Inschrift „Best Daddy“. Ich hatte mir ausgemalt, wie ich es ihm beibringen würde und hatte in meinem Kopf einen Film gedreht, der oscarreif war. Dieser Plan ging nicht auf und die nächsten Jahre fühlte ich mich absolut fremdgesteuert. Eine Ärzte-Odyssee mit Hormonbehandlungen begann und etliche Versuche im Kinderwunsch-Zentrum wurden an manchen Tagen zur Tragödie. Die Enttäuschung, jeden Monat einen negativen Schwangerschaftstest in der Hand zu halten, wurde unerträglich. Psychologisch gesehen erleben Frauen, die versuchen ein Baby zu bekommen, innerhalb von vier Wochen eine herausfordernde Gefühlsachterbahn – immer zwischen Hoffen und Bangen, Enttäuschung, Trauer und am Ende Abschied. Beim Eintritt der Periode geht der Teufelskreis wieder los und es bleibt keine Zeit, seine Gefühle zu reflektieren, einzuordnen und gar zu verarbeiten. Viele Frauen erleben eine Art Kinderwusch-Burnout und verfallen in eine massive Erschöpfungsdepression. Es ist paradox, aber gerade durch die Hoffnung werden wir immer wieder in der Verarbeitung unserer Trauer zurückgeworfen. So wurde auch mein Herz immer schwerer und ich wäre eine Zeit lang am liebsten tagelang nur im Bett geblieben. Erste Depressions-Anzeichen. Dazu kam noch ein extrem stressiger Job, der natürlich für alle Außenstehenden das eigentliche Problem war.



Gott fühlte sich damals so weit weg an. Ich fühlte mich von ihm verlassen. Das Ergebnis war Kontrollverlust, Körperverlust, Ich-Verlust. Und nach außen hin Maskerade spielen.

Meine Verzweiflung nachzuempfinden ist für Außenstehende schwer und das ist auch gut so. Es ist ein ganz spezieller Herzschmerz, den ich niemandem wünsche. Quälende Fragen wie „Warum werde ich nicht schwanger?“ oder „Bin ich es nicht wert, Mama zu werden?“ waren lange omnipräsent. Daraus resultierte eine Spirale aus Minderwert und Trauer und diese ging mir an die körperliche und seelische Substanz. Monat für Monat, Jahr für Jahr. Ich fragte mich immer mehr „Wer bin ich und was bin ich, wenn ich niemals Kinder bekomme kann?“. Ich fragte mich zudem „Bin ich aus einem bestimmten Grund unfruchtbar?“ Manchmal schaue ich mir mein Leben an, denke an all die wundervollen Veränderungen, die ich seit der Diagnose erleben durfte. Ich frage mich oft „Musste das passieren, um mein Herz zu verändern?“. Aber dann stoppe ich meinen Gedankengang und frage mich, ob ich das wirklich glaube. Glaube ich, dass Gott geplant hat, mich unfruchtbar zu machen? Mich absichtlich leiden zu lassen, damit ich durch diesen Prozess meinen Platz finden konnte? Sollen wir glauben, dass Unfruchtbarkeit Teil seines „Plans“ ist? Dies wirklich zu glauben, widerspricht allem, was ich über diesen gerechten und liebenden Gott zu wissen vermag. Meiner Meinung nach sind die Gedanken, dass Schmerz, Leid, Tod, Leere und Herzschmerz Teil Gottes „perfekten Plans“ für mich oder irgendjemand anderen sein sollen, wie geistiges Gift. Ich glaube, dass Gott einen vollkommenen Plan hatte, den Er aus Liebe der Menschheit übergab, als Er uns mit dem kostbaren Geschenk des freien Willens erschuf. Ich glaube nicht, dass Gott jemals Leiden für irgendjemanden geplant hatte, aber es wurde zu einer Eventualität in dem Moment, als die Sünde zerstörte, was Sein perfekter Plan für uns war. Ich glaube aber auch, dass Er diese zertrampelten Überreste sanft aufgreift und Seinen Plan prächtiger wiedergibt als je zuvor. Das ist es, was Er mit meinem Leben getan hat, und ich erkenne jetzt, dass er gerade jedes „Nein“ zu meinen unzähligen Bitten für ein Kind so beantwortet, weil Er daran arbeitet, die zerbrochenen Stücke in Wunder zu verwandeln. Die letzten Jahre haben mich geformt und ich habe erfahren dürfen, was es heißt zu vertrauen. Darauf, dass Gott einen großen Plan für mich hat, der meine und all die gesellschaftlichen Erwartungen und Vorstellungen sprengt.



Das hinter dieser gesellschaftlichen Erwartungshaltung allerdings auch ein unerträglicher Leidensdruck herrschen kann, ist den wenigsten klar. Gefühlt sind in Gemeinden alle verheirateten Frauen im gebärfähigen Alter schwanger oder bereits Mütter von ein oder zwei Kindern. Es gibt Frauen, die aufgrund ihrer ungewollten Kinderlosigkeit den Sonntag meiden oder an Muttertagen nicht in den Gottesdienst gehen. Sie fühlen sich vergessen, minderwertig und isolieren sich vom Gemeindeleben. Es ist bestimmt nicht die richtige Lösung des Problems, aber oft finden sie keinen anderen Ausweg. In ihren Gemeinden gibt es fast keine Angebote für diese Frauen und Paare und das Thema unerfüllter Kinderwunsch wird immer noch zu oft tabuisiert.

Deshalb habe ich dieses Jahr das „HOPE“-Netzwerk gegründet. Unter anderem besteht dieses aus christlichen Kinderwunsch Support-Gruppen, die sich derzeit monatlich in München, Köln/Bonn, Minden, Konstanz, Hannover und online treffen, die Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch helfen sollen, diese schwere Zeit zu meistern. Sich wertvoll zu fühlen auch ohne Kind. Der Austausch mit Gleichgesinnten ist essentiell wichtig, um gesund mit dem Thema umzugehen. Im Leben geht es auch darum, immer wieder Mut zu fassen, tapfer zu sein und zu erkennen, auch wenn es nicht so scheint, dass in allem ein Geschenk steckt. Dabei geht es nicht ums stark sein, denn auch ihre Schwächen sollte Frau zulassen dürfen. Meine Vision ist es, deutschlandweit Hope-Groups zu pflanzen und tolle Leiterinnen auszubilden, um dieses kostbare Angebot vielen Betroffenen zu ermöglichen. Die Kinderwunschzeit mit Gott zu meistern ist unser Motto. Zudem verspüre ich in mir einen starken Aufklärungsauftrag und würde gerne Gemeinden in Deutschland aufklären, wie sie sensibler mit diesem Thema umgehen und sie ermutigen, Angebote, wie zum Beispiel eine Hope-Group, zu schaffen. Unfruchtbare Paare oder Paare, die den Schmerz einer Fehlgeburt erfahren mussten oder Sternenkinder (bezeichnet Babies, die vor, während oder nach der Geburt versterben) zu verlieren, sind genauso Teil der Gemeinde wie Singles, Ehepaare und Eltern. Kinderwunsch hat viele Facetten. Schöne und traurige, und diese gilt es mit Gott zu feiern und zu bewältigen.



Der Kinderwunsch hat mich geduldiger, dankbarer und paradoxerweise glücklicher gemacht. Und das große W hat sich aufgelöst. Ich weiß nun warum. Job und Prioritätenwechsel sind einige positive Veränderungen in meinem Leben. Der Kinderwusch hat mich näher zu Gott gebracht und hat mich erkennen lassen, dass ich in seinen Augen auch kinderlos kostbar bin. Ich leite heute in meiner Gemeinde Frauen und gehe so viele mutige Schritte mit Gott, die ich mir davor niemals zugetraut hätte. Ich bin gerade dabei mich -Magali- zu finden und versuche mich nicht mehr in einer aufgezwungenen Rolle zu verlieren und mich gut genug zu finden.

Ob oder wann ich jemals Mama werde, beschäftigt mich natürlich immer noch und wir werden noch nicht aufgeben und dafür kämpfen, aber nicht um jeden Preis. Nicht um den Preis, mich zu verlieren oder meine Ehe.

Wir beziehen Gott in unsere Pläne und Wünsche ein und gehen mit ihm gemeinsam Schritt für Schritt. Ich weiß heute, dass Kinderlosigkeit meinen Wert als Frau nicht definiert oder gar mindert. Wir Frauen passen in keine Schublade und unser Glück sollte nicht von einem Kind, Partner oder Job oder oder oder abhängen. Gott alleine definiert mich. Ich bin guter Dinge und es ist gleichzeitig okay, Angst zu haben und zu zweifeln und zu weinen. Weinen tut gut, um immer wieder alles rauszulassen, damit diese Gefühle sich nicht in meinem Herzen verkrusten und vernarben. Ich habe gelernt, diese Emotionen, auch wenn sie mal unschön sind, zuzulassen. Es ist okay mal nicht okay zu sein. Mein Mann hat mich die letzten 4,5 Jahre wie ein Leuchtturm durch den Sturm gelotst und mich immer wieder auf Kurs gebracht. Er ermutigt mich täglich, auf Gott zu vertrauen und zu hören, SEINE Perspektive auf die Situation zu betrachten.

Und ich hoffe weiterhin, Mama zu werden, denn der „Best Daddy“-Babybody liegt jetzt schon seit 4,5 Jahren in meiner Baby-Kiste und wartet auf seinen Einsatz.


Aber: Der Glaube ist der tragende Grund für das, was man hofft. Im Vertrauen zeigt sich jetzt schon, was man noch nicht sieht.


Eure Magali

You are fruitful!

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