Von Angelina
Es ist Januar 2017. Mein Mann und ich haben sieben Wochen Australien vor uns. Wie sehr freuen wir uns auf dieses Abenteuer, unsere Aufregung ist groß. So eine lange Zeit waren wir noch nie Ferien-halber unterwegs. Eine wichtige Zeit zu zweit. Danach wären wir bereit, um mit der Familienplanung zu starten. Kinder ja gerne, am liebsten zwei. Aufgrund von chronischen Rückenschmerzen, die mich seit gut acht Jahren begleiten, war ich in ärztlicher Abklärung und habe mir starke Schmerzmittel sowie eine Beruhigungstablette verschreiben lassen, um den langen Flug nach Australien zu überstehen. Am Morgen des Abfluges schickte ich meinen Mann in den Supermarkt, um mir noch einen Schwangerschaftstest zu besorgen, einfach zur Sicherheit, bevor ich diese starken Medikamente einnehme. Ich weiß eigentlich nicht mehr, weshalb ich auf diese Idee kam. Göttliche Intuition, kann man vielleicht sagen. Wir haben ja nicht "geplant" schwanger zu werden, zumindest nicht vor der Australienreise. Ja, nach Australien gingen wir, jedoch nicht mehr nur wir zwei, sondern zu dritt. Ich war nämlich tatsächlich schwanger!
Zu diesem Zeitpunkt waren wir fünf Jahre verheiratet. Von Anfang an haben wir natürlich mit Temperaturmessen verhütet. Mein Zyklus war sehr lange und immer wieder auch unregelmäßig. Umso größer unser Erstaunen, dass ich nun tatsächlich schwanger war.
Unsere liebe Tochter wurde älter und somit kam der Gedanke und Wunsch nach einem Geschwisterchen, obwohl ich gerne auf die Schwangerschaft und Geburt verzichten könnte, denn meine Schwangerschaft war körperlich und seelisch sehr herausfordernd und die Geburt traumatisch. Aber unsere Tochter brauchte einfach ein Geschwisterchen. Schon früher sagte ich immer, dass ich kein Einzelkind haben möchte. "Ich werde sicher ohne Probleme wieder schwanger, das wird klappen", meinte ich. Das hat ja bereits einmal hervorragend geklappt und das sogar "ungeplant". Aber schon wieder kam es ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte.
Als ich nach neun Monaten nicht schwanger wurde, meinte ich zu meinem Mann, dass etwas nicht stimmen könne. Wir müssten zum Arzt gehen und uns untersuchen lassen. Wieso klappt es nicht? Meine Ärztin verwies mich an eine Gynäkologin, welche spezialisiert war auf das Thema "Kinderwunsch". Die nachfolgenden Abklärungen ergaben, dass die Samenqualität meines Mannes erniedrigt sei. Bei mir war also alles in bester Ordnung. Endlich wusste ich, wieso es nicht geklappt hat. Ich hatte einen Grund. So konnte ich es besser einordnen oder verstehen, weshalb es bis jetzt nicht eingeschlagen hat. Die Gynäkologin sagte uns, dass ich auf natürlichem Weg ziemlich sicher nicht schwanger werden könne. Was? Und jetzt? Was machen wir? Was gibt es für Möglichkeiten? Sie erklärte uns, dass mit einer Insemination oder einer IVF gute Chancen auf eine Schwangerschaft bestünden. Für meinen Mann und mich stand schon fest, dass wir keine IVF machen wollten.
Es war für uns persönlich nicht vertretbar und zusätzlich kamen noch die hohen Kosten, welche man selbst tragen muss, dazu. Wir wollten unbedingt ein zweites Kind, aber nicht um jeden Preis. So hieß es für mich vertrauen. Vertrauen, dass Gott einen vollkommenen Plan für unser Leben hat. Er weiß, ob wir ein zweites Kind haben werden oder eben nicht. Er sieht unser Leben und weiß was noch kommen wird. Immer wieder kämpfte ich mit herausfordernden Gedanken wie etwa: traut Gott mir kein zweites Kind zu? Bin ich eine schlechte Mutter? Übersteigt ein zweites Kind meine Kräfte, auch gerade mit meinen chronischen Rückenschmerzen?
In der Seelsorge und meinem persönlichen Prozess mit Gott durfte ich lernen, dass ich den Grund vielleicht niemals erfahren werde und dies auch in Ordnung ist. Mein Vertrauen, dass Gott über allem steht, und dass er keine Fehler macht, durfte wachsen. Bei der Insemination macht man normalerweise drei Versuche, welche in der Regel auch von der Krankenkasse bezahlt werden. Wir waren davon überzeugt, dass es auf diesem Weg sicher klappen würde. Meine Freundinnen und unsere Familien beteten und fieberten mit uns. Im Verlaufe der drei Inseminationen zeigte sich sogar jedes Mal eine Verbesserung der Samenqualität bei meinem Mann. Was für eine Freude! Der Urologe und auch die Gynäkologin meinten, die Samenqualität sei nun vollkommen normal und ausgezeichnet. Doch leider klappte es trotzdem nicht. Wieder meldeten sich bei mir die Fragen rund um das "Warum". Wieso klappte es nicht, wenn bei uns alle Voraussetzungen gut waren? Ich konnte es einfach nicht verstehen.
Es war ein emotionales auf und ab in mir. Zusätzlich machte es die Situation für mich nicht leichter, dass ich sechs Frauen in meinem Umfeld hatte, welche alle innerhalb weniger Monate hintereinander schwanger wurden, und das mit dem zweiten oder dritten Kind. Jedes Mal spürte ich einen Stich im Herzen, aber gleichzeitig natürlich auch eine aufrichtige Freude ihnen gegenüber. Ich wollte mich von Herzen mit meinen Freundinnen mitfreuen. Mein Mann konnte mit der ganzen Thematik irgendwie rationaler und neutraler umgehen als ich. Er sagte: "Wenn es ein zweites Kind gibt, dann ist das gut und wir freuen uns. Wenn es aber kein zweites Kind geben sollte, dann ist es auch gut. Wir haben es sowieso nicht in unserer Hand." Er hatte natürlich recht mit seiner Aussage, jedoch fühlte ich es nicht auf diese Weise. Irgendwie erschien mir das auch herzlos und kühl. Es schien so einfach gesagt zu sein. Und es forderte uns als Ehepaar heraus und löste nicht selten auch Konflikte aus.
Jedoch mussten wir beide erkennen, dass jeder seine eigene Meinung haben darf. Es müssen beide Seiten Platz haben und beide Seiten haben ihr Anrecht. Wir müssen es nicht gleich empfinden. Ich erkannte auch, dass ich mein Leben auf meine Gegenwart (ohne zweites Kind) konzentrieren soll. Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, ein gesundes und lebendiges Kind haben zu dürfen. Ich möchte diese Zeit jetzt mit unserer Tochter genießen. Denn die Zeit vergeht ja sowieso wie im Flug. Ich möchte später nicht zurückblicken müssen und erkennen, dass ich die Zeit mit meiner Tochter vor lauter Sehnsucht nach einem zweiten Kind verpasst habe. Dieser Ansatz fordert mich immer mal wieder heraus und es braucht auch eine bewusste Entscheidung meinerseits, mich darauf zu fokussieren.
Bis heute bin ich nicht mehr schwanger geworden. Den Wunsch trage ich nach wie vor in mir und wir als Ehepaar beten inständig für ein zweites Kind. Mein Wunsch oder mein Gebet nach fast zwei Jahren Kinderwunschreise ist jedoch weniger verbissen als am Anfang.
Mein Gebet ist es, dass Gottes Wille geschehen darf in unserem Leben, und dass sein Wille nicht bedeutet, dass er gegen meine Wünsche und Sehnsüchte ist. Mein Glaube an einen guten und vollkommenen Gott wird tatsächlich herausgefordert und geprüft, gleichzeitig aber auch gestärkt. Ich bin jetzt näher an Gottes Vaterherz als vor meiner Kinderwunschreise und ich bin überzeugt, dass dies ein Segen für unser Leben ist.
Eure Hopesister Angelina
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